Tagungsrückblick: Welche Werte braucht die Politische Bildung?

17.10.2022, Text: Thomas Stornig, IGPB und PH Tirol, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Wertebildung, nicht Werteerziehung, braucht es. Das war eines der Ergebnisse aus der 13. Jahrestagung der Interessengemeinschaft Politische Bildung (IGPB).
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Die Interessengemeinschaft Politische Bildung (IGPB) lud zur Jahrestagung ein.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, IGPB/Ingruber, auf erwachsenenbildung.at
Vor dem Hintergrund multipler Krisen und ihrer Auswirkungen auf demokratische Strukturen und Prozesse beschäftigte sich die 13. Jahrestagung der Interessengemeinschaft Politische Bildung (IGPB) mit dem Thema "Demokratie im Wandel. Welche Werte braucht die Politische Bildung?". Als Fachvertretung der schulischen und außerschulischen Politischen Bildner*innen Österreichs lud die IGPB hierfür am 29. und 30. September 2022 an die Universität Graz und die Pädagogische Hochschule Graz.

 

Nach der Eröffnung durch IGPB-Obmann Philipp Mittnik (PH Wien) und Uni-Rektor Peter Riedler steckte Andreas Petrik (Universität Halle) in seiner Keynote zunächst die verfassungsmäßigen Grenzen der Demokratie ab. Anschließend stellte er eine didaktisierte Version des ursprünglich von Politikwissenschaftler Herbert Kitschelt entwickelten Politischen Kompasses vor und illustrierte dessen Verwendung für die Praxis.

Wertebildung statt Werteerziehung

Christoph Kühberger (Universität Salzburg) fragte in seiner Keynote nach dem Stellenwert von Werten in der Politischen Bildung. Aus Sicht der Politischen Bildung dürfe Wertebildung nicht als Erziehung zu bestimmten angeblich statischen (z.B. "österreichischen") Werten verstanden werden. Stattdessen besteht die Anforderung, Wertebildung kontrovers und reflexiv anzulegen, damit sie dem Pluralismus der Demokratie Rechnung trägt.

 

Im nachfolgenden Panel zu "guten" und "schlechten" Werten gab Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl einen Einblick in Denk- und Handlungsweisen der Neuen Rechten und Otmar Höll (Universität Wien) fokussierte unter Bezugnahme auf den Ukrainekrieg auf den Wertegehalt von Theorien der internationalen Beziehungen. Als "schlechte" Werte wurden ein übersteigertes Ehrgefühl neurechter Bewegungen identifiziert, welches die Unterordnung des Einzelnen unter ein schwammig definiertes Volk und die widerspruchslose Pflichterfüllung verlangt. Als "gute" Werte hingegen die Menschenrechte, die sich nach und nach erst als internationale Bezugsnorm durchgesetzt haben.

Die Werte der Österreicher*innen in Zeiten der Krise

Auszüge aus aktuellen Umfragen lieferten ein Stimmungsbild über Werthaltungen und Einstellungen der österreichischen Bevölkerung im Schatten der Krise. Sylvia Kritzinger (Universität Wien) brachte erste Erkenntnisse zur europäischen Wertestudie 2018–2021 und beleuchtete hierbei die Veränderung von politischen Einstellungen im Kontext der Covid-19-Pandemie. Wie auch im nachfolgenden Vortrag von Martina Zandonella (SORA) festgestellt wurde, weisen aktuelle Befunde auf eine sinkende Zufriedenheit mit Politiker*innen und demokratischen Institutionen hin. Letztere präsentierte Erkenntnisse aus der Befragung junger Menschen in Österreich und wies dabei auf ein problematisches Verhältnis zwischen der jungen Generation und dem politischen System hin. Dieses sei durch zunehmende Entfremdung der Jugend und zu geringes Bemühen um die jungen Bürger*innen gekennzeichnet. Verena Ulrich schilderte schließlich Ergebnisse aus der 6. Steirischen Jugendstudie der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus Graz. In Anbetracht der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit dem politischen System lautet ein Auftrag an die Politische Bildung vielfältige politische Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wie sich Bürger*innen mehr Gehör verschaffen können.

Weitere Perspektiven zur schulischen Bildung

Der zweite Tag stand im Zeichen fachdidaktischer Forschungen und Zugänge zur Wertethematik. Nach der Begrüßung durch PH Rektorin Beatrix Karl bot Robert Hummer (PH Salzburg) Einblicke in ein laufendes Dissertationsprojekt, das die Kontroversität von Unterricht untersucht. Hierbei wurde deutlich, dass Politikunterricht oftmals einerseits zu wenig kontrovers angelegt ist. Anderseits drohe Unterricht zu einer Vermittlung "richtiger" Werte zu gedeihen, weil verabsäumt wird, Lernenden den nötigen Raum zur Reflexion politischer Urteile zu geben. Monika Waldis (FH Nordwestschweiz) stellte ihrerseits Erkenntnisse aus einer Studie zur Durchführung politischer Debatten durch junge Lernende vor.

 

Lara Möller (Universität Wien) bot zum Abschluss einen Einblick in Ergebnisse ihrer unlängst abgeschlossenen Dissertation zu subjektiven Vorstellungen von Rassismus von Lehramtstudierenden. Sie identifizierte stellenweise ein geringes Bewusstsein von Studierenden über die Wirkungsweise von Rassismus.

 

Die nächste Jahrestagung der IGPB findet 28. und 29. September 2023 an der AK Wien statt.

 

Über den Autor: Thomas Stornig lehrt und forscht zur Politischen Bildung an der PH Tirol und ist Vorstandsmitglied der IGPB.

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